In meiner Beziehung hatte ich schon länger, ehrlich gesagt von Anfang an, ein ungutes Bauchgefühl, was die Treue meines Partners anging. Er hat alle Nachfragen diesbezüglich stets abgestritten, für merkwürdige Situationen immer eine mehr oder weniger passende Erklärung parat gehabt und mir irgendwann sogar eine extreme Eifersucht und zuletzt sogar Verfolgungswahn unterstellt. Deshalb habe ich diese Fragen schließlich eingestellt.
Ich wollte ihn nicht kontrollieren, aber dieses ungute Gefühl, dass er mir gegenüber nicht ehrlich ist, hat mich einfach nicht losgelassen. Schon seit einiger Zeit stand ich in Kontakt mit einer spirituellen Beraterin, der ich grundsätzlich offen gegenüberstand. Sie vermittelte mir das Gefühl, in die Energiefelder anderer Menschen blicken zu können, sogar von Menschen aus meinem persönlichen Umfeld. In meiner Unsicherheit entschloss ich mich schließlich, sie direkt zu fragen, ob sie spüren könne, ob mein Partner mich betrügt.
Die einstündige telefonische Beratung kostete 120 Euro. Zwar sprachen wir auch über andere Themen, doch für mich stand diese eine konkrete Frage klar im Mittelpunkt. Sie schaute, wie sie es nannte, energetisch bei ihm rein und sagte mir dann ganz klar: „Nein, ich sehe da nichts. Keine anderen Frauen. Ihr Partner ist treu.“
Das beruhigte mich zunächst ein wenig, aber mein Bauchgefühl blieb. Es ließ mich einfach nicht los. Also beschloss ich, noch eine zweite Meinung einzuholen, diesmal bei einer anderen Beraterin. In einem kostenlosen, etwa 15-minütigen Telefongespräch fragte ich sie, ob sie das energetisch einschätzen könne. Sie bejahte das, und so buchte ich einen Termin bei ihr vor Ort in ihren Räumlichkeiten.
Diese einstündige Beratung kostete 80 Euro, bar und ohne Quittung. Auch hier bekam ich dieselbe Antwort: „Nein, da ist absolut nichts.“ Es handele sich vielmehr um eine Projektion meiner eigenen sexuellen Wünsche und Fantasien. Das konnte ich so zwar nicht bestätigen, aber ich ließ es einfach mal so stehen. Das komische Bauchgefühl war natürlich weiterhin da.
Einige Monate später kam dann durch einen Zufall die Wahrheit ans Licht. Ein Bekannter, der mit uns beiden befreundet war und dem ich anvertraute, wie sehr mich diese Unsicherheit belastete, berichtete mir schließlich, dass mein Partner in den zwei gemeinsamen Jahren tatsächlich immer wieder fremdgegangen war. Mit wechselnden Frauen, die er sogar in unser gemeinsames Zuhause – und somit unser Bett einlud, wenn ich beruflich unterwegs war.
Nach der Konfrontation hat mein Partner es zwar nicht zugegeben, aber auch nicht bestritten, weshalb ich schließlich die Entscheidung traf, mich zu trennen.
Einschätzung der Redaktion
Dieser Fall zeigt ziemlich deutlich, welche Dynamiken in Beratungen auftreten können, wenn Menschen mit belastenden persönlichen Fragen auf der Suche nach Orientierung sind:
- Doppelte Entwertung der Intuition: Die Ratsuchende hatte von Anfang an eine klare Intuition, die zuvor schon vom Partner als „Verfolgungswahn“ abgetan wurde. Statt ernst genommen zu werden, entwerteten auch beide Beraterinnen ihre Wahrnehmung, unter anderem mit pauschalen psychologischen Erklärungen wie angeblicher Projektion eigener Wünsche.
- Verletzung persönlicher Grenzen: Beide Beraterinnen gaben vor, ohne Zustimmung des Partners in dessen „Energiefeld“ blicken zu können. Selbst wenn solche Fähigkeiten existieren, bliebe ein Zugriff auf das persönliche Energiefeld eines Dritten ohne Einwilligung ein klarer ethischer Grenzübertritt.
- Scheinbare Sicherheit ohne Nachweis: Beide Einschätzungen erfolgten mit absoluter Bestimmtheit; ohne die Möglichkeit offen zu lassen, dass ihre Einschätzung auch falsch sein könnte. Dass die Beraterinnen in einer so sensiblen und von Unsicherheit geprägten Situation klare Falschaussagen getroffen haben, macht deutlich, wie sehr das finanzielle Interesse über Verantwortung gestellt wurde.
Unsere Empfehlung
Wenn in einer Partnerschaft Unsicherheiten bestehen, ist der erste und wichtigste Schritt immer das direkte Gespräch. Auch wenn das schwerfällt: Ein offenes Gespräch bietet die beste Chance auf Klärung. Verhält sich der Partner oder die Partnerin dabei ablehnend, weicht aus oder stellt die Zweifel gar als unbegründet oder übertrieben dar, ist das eigentlich ein ernstzunehmendes Warnsignal.
Als Gesprächsform kann z. B. Gewaltfreie Kommunikation helfen, bei der eigene Gefühle und Bedürfnisse klar, aber wertschätzend ausgedrückt werden. So lassen sich belastende Themen ansprechen, ohne in Vorwürfe oder Eskalationen zu verfallen.
Wer dennoch keine Klarheit erhält oder sich mit den eigenen Sorgen alleingelassen fühlt, kann sich an unabhängige Beratungsstellen wenden, etwa die Telefonseelsorge oder spezialisierte Paarberatungen. Auch psychologische Beratungsstellen können eine erste Orientierung ermöglichen – anonym und kostenfrei.
Wichtig zu wissen: Es gibt keinerlei wissenschaftlich belegbare Methode, um über energetische Lesungen oder sonstige esoterische Praktiken zuverlässige Aussagen über das Verhalten Dritter zu treffen. Solche Angebote können keine Gewissheit geben und bergen die Gefahr, Verunsicherung weiter zu verstärken.
Transparenzhinweis: Dieser Erfahrungsbericht wurde von uns zur Veröffentlichung vollständig anonymisiert. Alle persönlichen Angaben wurden zum Schutz der betroffenen Person entfernt oder verändert.
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