EsoterikModerne Spiritualität

Manifestation – Was, wenn es wirklich funktionieren würde

286
Manifestation funktioniert nicht - das esoterische Konzept zu Ende gedacht
Foto © ภาพ ของNirut Sangkeaw

Manifestation ist in den letzten Jahren zu einem der zentralen Begriffe in der modernen Spiritualität geworden. In Online-Kursen, Podcasts, Buch-Bestsellern und auf Social Media wird versprochen: Wer „richtig“ denkt und fühlt, kann Erfolg, Reichtum und Liebe in sein Leben ziehen. Viele Millionen Menschen auf der Welt glauben inzwischen daran. Spätestens seit dem Erfolg von The Secret hat sich die Idee eines universellen „Gesetzes der Anziehung“ weltweit verbreitet.

Aber was wäre, wenn das nicht nur harmloses Wunschdenken wäre, sondern Manifestation tatsächlich in allen Bereichen Realität werden würde? Das müsste es ja schließlich, wenn es sich wirklich um ein universelles Gesetz handelt. Was, wenn all die Wünsche, inneren Bilder und auch die negativen Gedanken Wirklichkeit würden? Ich frage mich, wie sich dieser Glaube so stark verbreiten konnte, obwohl sich beim genaueren Hinsehen zeigt, wie widersprüchlich und realitätsfern das Konzept ist.

In diesem Artikel möchte ich genau das tun. Vorweg nur so viel: Es wird ziemlich absurd.

Was ist Manifestation?

Manifestation basiert auf dem sogenannten Gesetz der Anziehung, einem esoterischen Prinzip, das behauptet: Gleiches zieht Gleiches an. Gedanken senden eine bestimmte Frequenz aus – und das Universum reagiert darauf. Wer also Liebe, Geld oder Erfolg haben möchte, soll sich emotional und gedanklich so verhalten, als wäre es bereits da. Der Clou: Je stärker das Gefühl, dass es bereits Realität ist, desto wahrscheinlicher soll es eintreffen. So zumindest die Theorie.

Das klingt beinahe wissenschaftlich, ist es aber nicht. Weder gibt es belastbare Studien zur Wirksamkeit, noch lässt sich das sogenannte „Schwingungsniveau“ objektiv erfassen. Manifestation ist ein Glaubenssystem und zudem ein extrem lukratives Geschäftsmodell. Bekannt gemacht wurde es durch Bücher wie The Secret und Persönlichkeiten wie Esther Hicks, Louise L. Hay oder Oprah Winfrey.

Gesetz der Anziehung Kritik - warum es nicht funktionieren kann
Manifestieren heißt: Arme ausbreiten, träumen, visualisieren – und warten, dass das Universum liefert. (Foto: Daniel
Chetroni)

Was wäre, wenn Manifestation tatsächlich funktionieren würde?

Nehmen wir einmal an, Manifestation funktioniert genau so, wie es versprochen wird: Jede intensive Visualisierung formt unsere Realität. Nicht nur gezielte Wünsche, sondern auch unbewusste Ängste, alte Glaubenssätze, Sorgen oder tief empfundener Hass. Was passiert, wenn Milliarden Menschen gleichzeitig manifestieren? Wenn nicht nur positive Visionen, sondern auch diffuse Ängste und belastende Gedanken Realität erzeugen?

Dann entstünde vermutlich ein gigantisches energetisches Chaos. Eine Realität, in der unzählige Wünsche, Erwartungen und Ängste gleichzeitig Form annehmen, unabhängig davon, ob sie sich widersprechen oder überhaupt erfüllbar sind. Menschen mit Angststörungen oder Hypochondrie würden genau das anziehen, was sie am meisten fürchten: Krankheit, Verlust, Scheitern. Die Bedrohungsszenarien von Verschwörungs-Gläubigen würden eintreten. Hypochonder würden, folgt man dieser Logik, buchstäblich aussterben.

Wenn Manifestation funktionieren würde, stünde das Universum vor einer unmöglichen Aufgabe. Es müsste täglich:

  • Lebensrealitäten pausenlos umsortieren
  • Besitz umverteilen
  • Beziehungen beenden
  • Unfälle ermöglichen
  • Todesfälle herbeiführen
  • und fortlaufend entscheiden, wessen Wunsch Priorität hat

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Eine Frau manifestiert sich ihr perfektes Traumhaus auf Mallorca: alleinstehend, wunderschön mit Meerblick, großer Terrasse und Palmengarten. Sie visualisiert es täglich und spürt perfekt in das Gefühl hinein, als wäre es bereits Realität. Nun muss das Universum eine Lösung finden, wie diese Manifestation umgesetzt werden kann. Woher soll das Geld für das Haus kommen?

Das Universum überlegt: Im Job verdient sie zu wenig, Lotto spielt sie nicht. Ein sehr vermögender Partner wäre eine Option, aber da sie sich auch bereits den perfekten Partner manifestiert hat, fällt diese Möglichkeit ebenfalls weg. Bleibt nur eine Erbschaft. Also müsste das Universum einen plötzlichen Todesfall im nahen Umfeld organisieren…


Klingt kitschig und abstrus? Genau das ist der Punkt!

Zudem käme es zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Folgen:

  • Wirtschaftssysteme würden zusammenbrechen, weil Leistung keine Rolle mehr spielt
  • Menschen, die nicht in Wunschbilder passen, müssten verschwinden oder sterben – z. B. Haustiere, Kinder oder Angehörige
  • Soziale Ungleichheiten würden sich verschärfen, weil das Universum Wünsche erfüllt, aber keine Gerechtigkeit
  • Konkurrenz würde eskalieren, wenn viele dasselbe Ziel manifestieren – z. B. denselben Job oder denselben Partner

Und natürlich hätte jede einzelne, erfüllte Manifestation Auswirkungen. Denn jede neue Realität verändert wieder eine andere. Jeder erfüllte Wunsch verändert das Leben anderer. Beziehungen entstehen nicht im luftleeren Raum. Reichtum kommt nicht aus dem Nichts. Alles, was Realität wird, hat Konsequenzen; ob gewollte oder ungewollte.

Und wer eigentlich all diese Entscheidungen für acht Milliarden Menschen treffen soll, bleibt ebenfalls eine offene Frage…

Warum wird Manifestation so stark propagiert?

Ganz einfach, weil es sich hervorragend verkauft. Manifestation bietet einfache Lösungen für komplexe Probleme. Du brauchst keine Ausbildung, keine Strategie, kein Geld. Du brauchst nur dich, deine Gedanken – und natürlich ein Workbook, einen Online-Kurs oder ein Coaching. Manifestation ist ein lukrativer Markt, der Hoffnung verkauft. Die Kurse versprechen dir den Weg, wie du gemütlich von der Couch aus das anziehst, was du dir wünschst.

Und wenn es nicht klappt? Dann lag es bei dir, nicht beim System. Es gibt keine Regulierung, keine Verantwortung, keine Transparenz. Und genau das macht es so perfide. Bis vor wenigen Jahren war Esoterik noch peinlich und Schwurbel, heute ist es etwas, das Millionen von Menschen bitterernst nehmen. Und wer etwas kritisch hinterfragt, wird schnell als „low energy“ oder „toxisch“ bezeichnet. Kritik ist nicht erwünscht, denn das stört das Geschäft.

Manifestation Esoterik verknüpft mit Yoga und Meditation
Manifestation wirkt durch die Verbindung mit Yoga und Meditation wie eine spirituelle Praxis – ist aber ein esoterisches Konzept mit kommerziellem Hintergrund (Foto: EpicStockMedia)

Die verharmlosende Verknüpfung mit Yoga, Achtsamkeit und Co.

Ein Grund, warum Manifestation von so vielen Menschen unkritisch übernommen wird, liegt in der gezielten Vermischung mit anderen spirituellen oder gesundheitsbezogenen Praktiken. Meditation, Yoga, Achtsamkeit – all das sind bewährte Methoden, die für viele Menschen stabilisierend wirken. Inzwischen wird Manifestation gezielt in diesen Kontext eingebettet: als Teil von „Healing Journeys“, als Meditation zur Aktivierung der „Herzfrequenz“, als spirituelle Praxis unter vielen.

Das Problem: Dadurch erscheint Manifestation als ebenso sinnvoll, wirksam und harmlos wie die anderen Methoden. Sie bekommt eine Legitimität, die ihr nicht zusteht. Denn im Gegensatz zu Achtsamkeit oder Yoga ist Manifestation kein Weg zu innerer Stabilität, sondern eine esoterische Wunschtechnik, oft verbunden mit unrealistischen Versprechen, emotionalem Druck und einer kommerziellen Agenda.

Was Manifestation mit der Psyche macht

Das vielleicht größte Problem: Wer an Manifestation glaubt, lebt in einem konstanten psychischen Druck. Negative Gedanken werden zu einem riesigen Problem, Zweifel sind gefährlich, und Kritik wird unterdrückt. Man lebt in einem mentalen Hochleistungszustand, in dem jede tiefere Emotion potenziell Konsequenzen hat. Und das macht mürbe. Es fördert genau das Gegenteil von Selbstermächtigung, nämlich Angst, Unsicherheit und Abhängigkeit.

Gleichzeitig führt Manifestation zu einer problematischen Passivität. Denn wer daran glaubt, dass das Universum auf Schwingungen reagiert, glaubt auch, dass äußere Umstände sich „von allein“ fügen, wenn man nur richtig fühlt. Handeln, Entscheiden, Verantwortung übernehmen werden ersetzt durch Visualisieren, Affirmieren, Warten. Man gibt das Steuer aus der Hand und vertraut auf eine übergeordnete Kraft, die schon weiß, was gut für einen ist.

Manifestation ist kein „spiritueller“ Weg. Es ist ein Geschäftsmodell, das uns permanent suggeriert, dass es noch besser geht als es gerade ist – außer, wir denken anders. Positiver. Heller. Unkritischer.

Das Problem ist, wenn man immer versucht, positiv zu denken, dann fürchtet man sich irgendwann vor den negativen Gedanken – und dann ist das wie eine Teufelsspirale. Mir hat das unfassbar viel Druck gemacht. Und natürlich dieses Gefühl, dass ich versage, wenn ich es nicht schaffe, so zu denken. Dass ich einfach eine Versagerin bin. Dass ich falsch bin.

– Teilnehmerin eines Manifestationskurses in der ARD-Doku „Gefährliches Wunschdenken?

Fazit: Weniger wünschen, mehr leben!

Manifestation klingt verlockend, wenn es Menschen auf Social Media verkaufen, indem sie sich voller Glückseligkeit vor ihren Besitztümern zeigen. Aber wer das auf dieser Praxis beruhende „Gesetz“ zu Ende denkt, erkennt schnell die oben aufgeführten Absurditäten und Widersprüche. Es ist weder ein wissenschaftlich belegbares noch ein universelles Prinzip. Es ist einfach nur ein esoterisches Konzept, das magisches Wissen verbreitet.

Und hier empfehle ich einfach mal, sich diese Personen genauer anzuschauen und zu recherchieren und zu überlegen, ob die wirklich so ein perfektes Leben leben wie es nach außen hin scheint. Ich für meinen Teil sehe da ziemlich viele Dinge, die sie nicht haben und, wenn man genau hinhört, auch nicht erfolgreich manifestiert haben. Es gibt allerdings tatsächlich etwas, das wirklich funktioniert und das erkläre ich in einem der nächsten Artikel – völlig kostenfrei!

Weitere Artikel

Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin dieses Magazins und studierte Kommunikationswirtin mit langjähriger Erfahrung in Medien und Marketing weiß ich, wie sehr Botschaften und Trends unser Denken prägen. Genau deshalb möchte ich hier genauer hinschauen, Zusammenhänge sichtbar machen und zum Nachdenken anregen.

Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Artikel

Affirmationen Kritik positives Denken - Moderne Spiritualität

Affirmationen – Was steckt hinter der ständigen Selbstbestätigung?

Vielleicht sind sie dir auch schon begegnet: diese kurzen, positiven Sprüche für...

Vergebung in der modernen Spiritualität - Nachteile und Kritik
Foto © AnimGraph Lab / Pexels

Vergebung – Ein kommerzielles Konzept mit Nebenwirkungen

Wenn du auf diesen Artikel gestoßen bist und dich bisher noch nicht...

Gesetz der Anziehung - Esoterik und Moderne Spiritualität - Was dahinter steckt
Foto © oatawa / Getty Images

Das „Gesetz der Anziehung“ – Wirklich der Schlüssel zum Glück?

Stell dir vor, du müsstest dir dein Traumleben einfach nur intensiv vorstellen…...

Warum Onine-Kurse für die Zielgruppe Frau so gut funktionieren
Foto © Ava Sol / Unsplash

Warum Frauen nie zufrieden sein dürfen – und was Online-Kurse damit zu tun haben

Vor einigen Tagen ist es wieder passiert. Ich sehe eine Dokumentation im...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner